Die Kirche muss man in den Herzen bauen
Von Raimondas Buitkus. Übersetzt von Pastor Matthias Altevogt, Lemgo.
Da Jurbarkas lange eine Grenzstadt war, haben sich hier Menschen verschiedener Berufe und auch verschiedenen Glaubens niedergelassen: Katholiken, Evangelische, Russisch-Orthodoxe und Juden. Kriege und Besatzer haben sie alle schwer getroffen und manches für immer zerstört. Heute stehen noch die katholische Dreifaltigkeits-Kirche und die orthodoxe Kirche. Die jüdische Synagoge wurde dem Erdboden gleichgemacht.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde der Pfarrer der evangelisch-lutherischen Gemeinde J. Gavenia nach Sibirien deportiert. Die Kirche wurde 1952 geschlossen und als Lager benutzt, später zu einem Wohnhaus umgebaut. Orgel und Glocke wurden zerstört.
Ein großes Wunder
Schon 1989, im Jahr vor der Unabhängigkeitserklärung Litauens, begann die evangelisch-lutherische Gemeinde sich wieder zu versammeln.
1991 wurde der das ehemalige Pfarrhaus zurückgegeben. 1992 fand hier der erste Gottesdient statt. Bald wurden weitere Gebäude zurückgegeben – nur nicht die zum Wohnhaus umgebaute Kirche. In der Aufbruchsstimmung dieser Jahre begann die Gemeinde 1994 mit dem Neubau einer Kirche. Fundament und Mauern standen schon, als der Bau unerwartet zum Stillstand kam. 1998 konnte das Dach noch provisorisch gedeckt werden. Mit unverputzten Wänden und vernagelten Fensteröffnungen bot der unvollendete Bau lange Jahre einen traurigen Anblick und gab Anlass zu vielen Spekulationen über die Gründe des Baustopps.
Die beste Nachricht in diesen Jahren war es, dass es einem jungen, neu eingesetzen Pfarrer gelang, die Schulden zu tilgen, die noch vom Bau auf der Gemeinde lasteten. Trotzdem war es lange fraglich, ob die Kirche jemals zu Ende gebaut werden könnte.
Groß war deshalb das Staunen und die Freude vieler, als vor einigen Wochen das Dach der Kirche mit leuchtend roten Blech-Ziegeln eingedeckt wurde.
Der heutige Pfarrer der Gemeinde, Mindaugas Kairys, sieht darin ein großes Wunder, durch dass die Gemeinde noch mehr zusammen wächst.
Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb
Pfarrer Kairys lädt gleich zu Beginn des Gespräches auf die Baustelle ein, wo die Dachdecker aus Taurage kurz vor der Fertigstellung des Daches sind. Im Innern der Kirche ist seit dem Baubeginn vor 14 Jahren so gut wie nichts geschehen. Doch der Pfarrer erzählt vom geplanten Innenausbau mit solcher Überzeugung, dass kein Zweifel bleibt, dass die Pläne auch verwirklicht werden. Beim Gespräch im schön renovierten Gemeindehaus rät er, die Vergangenheit dieses Baues zu vergessen und nach vorn zu sehen. Mit den nun nun begonnen Arbeiten verliert die Vergangenheit ihre Bedeutung.
Mindaugas Kairys, der auch Pfarrer der Gemeinden Zvyriai, Smalininkai, Vilkyskiai ist erzählt: In seinen ersten Jahren in der Gemeinde Jurbarkas war die Raumnot bestimmend. Die Gemeinde brauchte Räume für den Gottesdienst und das Gemeindeleben, aber an einen Weiterbau der Kirche war nicht zu denken.
Als erstes suchte er nun nicht etwa nach Geld, sondern nach Menschen, die wissen, das eine Gemeinde, der Glauben und die Kirche wichtig sind.
Mit welchen Mühen und auf welchen Wegen es gelang, die alten Bauschulden zu tilgen, darauf möchte er gar nicht im Detail eingehen.
Schließlich gelang es ihm, kirchliche Hilfsorganisationen in Deutschland davon zu überzeugen, dass die Gemeinde eine neue Kirche braucht. Das Gustav-Adolf-Werk, der Martin-Luther-Bund, die Nordelbische Kirche, Kirchengemeinden und Einzelspender in Deutschland brachten gemeinsam die benötigten 40.000 Euro für das neue Dach auf. Aber auch über 300 Gemeindeglieder haben mit Spenden dazu beigetragen. Der Kreis Jurbarkas dagegen hat finanzielle Unterstützung abgelehnt.
Das Gebet leitet die Arbeiten
Wie geht es nun weiter? Darauf antwortet Pfarrer Kairys: „Wir werden beten. Ohne Gebet geht es nicht. Wir werden beten, dass Gott das begonnene Werk segnet. Alles, was nur Menschen Werk ist, ohne Gottes Hilfe, verweht der Wind.“ Noch vor dem Winter sollen die Fenster eingesetzt werden, damit der Innenraum vor Nässe und Kälte geschützt ist. Dafür werden noch einmal 20.000 Euro benötigt. Was die weiteren Pläne angeht, so sollen die ursprünglichen Pläne des Architekten A. Kazlauskas voll verwirklicht werden. Auch die geplante Zahl von 300 Plätzen wird erreicht werden. In Abstimmung mit den Hilfsorganisationen werden die Pläne für den Innenausbau aber verändert, um die Kosten zu senken.
Pfarrer Kairys legt aber Wert darauf, dass das Kirchen-Gebäude nicht das wichtigste ist. Kirche wird in den Herzen gebaut. Deshalb freut er sich, dass die Dacharbeiten die Gemeinde noch mehr zusammen geführt haben. Jeden Abend hat eine andere Familie die Nachtwache auf der Baustelle übernommen, um Diebstahl des Metalls zu verhindern. Für die weiteren Arbeiten wünscht Pfarrer Kairys sich, dass nicht nur Gemeindeglieder und deutsche Hilfsorganisationen zur Finanzierung beitragen, sondern auch der Kreis Jurbarkas und die örtlichen Supermärkte, die im letzten Jahr aus dem Boden geschossen sind. Sie verdienen gut am Weihnachts- und Ostergeschäft. Es wäre schön, wenn sie die eigentliche Bedeutung dieser Feste nicht vergessen machen, sondern mit dem Kirchbau auch den Glauben stärken würden. Damit die alte Grenzstadt Jurbarkas wieder eine Heimat wird - nicht nur für den Handel, sondern auch für den Seelenfrieden und für Menschen verschiedenen Glaubens.